Arbeitsschutz

Potenziale der Digitalisierung in der Arbeitssicherheit nutzen

Interview mit Agustín Sánchez-Toledo Ledesma

6 Minuten01.12.2021

Der betriebliche Arbeitsschutz befindet sich im stetigen Wandel. Während über Jahre hinweg „Vision Zero“, also das strikte Vermeiden von Unfällen, im Zentrum des Safety Managements stand, wird sich heute verstärkt der Ursachenforschung  und präventivem Arbeitsschutz zugewandt. Auch sehen sich die Verantwortlichen mit stetig neuen Herausforderungen durch Globalisierung und Digitalisierung konfrontiert. Einige setzen bereits heute im Arbeitsschutz auf moderne Technologien, anderen fällt die Umstellung schwer. Für den Safety Management Trend Report 2021 sprachen wir mit Agustín Sánchez-Toledo Ledesma,  Leiter des Instituto de Seguridad y Bienestar Laboral und Geschäftsführer der Beratungsfirma Sánchez-Toledo & Asociados zu den Trends im Bereich Arbeitssicherheit. Erfahren Sie, warum er Covid-19 als Trendbeschleuniger sieht und welche konkreten Ratschläge er HSE-Managern mit auf den Weg gibt.  

Mehrwert für Unternehmen

Was glauben Sie, werden dieses Jahr die wichtigsten Trends im Bereich Arbeitssicherheit sein?

Die derzeit wichtigsten Trends im Gesundheits- und Arbeitsschutzmanagement stehen aus meiner Sicht im Zusammenhang mit der Digitalisierung und der COVID-19-Pandemie. Die aktuelle Krise hat Arbeitssicherheitsfachkräfte ebenso wie Spezialistinnen und Spezialisten aus anderen Bereichen kalt erwischt. Sie mussten sich von heute auf morgen neu erfinden und ihre Arbeitsweise umstellen. Das bedeutete oft, ihre Hauptaufgaben vor Ort etwas außer Acht zu lassen, um neue Tools und Methoden kennenzulernen, mit denen sie die Belegschaft erreichen können.

Vom Wandel geprägt

Welcher theoretische Ansatz passt aus Ihrer Sicht am besten zur heutigen Denkweise über Arbeitssicherheit?

In den letzten Jahren haben wir einen Wandel von reaktiver zu prädiktiver Prävention im Arbeitsschutz erlebt. Die ersten Modelle konzentrierten sich noch auf die Quantifizierung von Arbeitsunfällen. Heute interessieren wir uns mehr für die Ursachen. Mir persönlich gefällt das Modell des Risikomanagements, da es wertschöpfend für Unternehmen ist. Arbeitssicherheitsfachkräfte fokussieren sich häufig zu einseitig auf ihr Fachgebiet und die technischen Aspekte des Berufs, anstatt sich damit zu beschäftigen, welchen Mehrwert ihre Arbeit für das Unternehmen bringen kann.

Wie ist Ihre Sicht auf die psychosozialen Risiken, die sich aus der Digitalisierung oder auch der vermehrten Arbeit im Homeoffice durch die Corona-Pandemie ergeben?

Die Pandemie hat gezeigt, dass manche Unternehmen auf solche Situationen nicht vorbereitet sind. Dieser Umbruch geht mit neuen Risiken und höheren Belastungen einher. Damit müssen sich die Firmen nun auseinandersetzen. Wie es im aktuellen Bericht der WHO heißt: Das Konzept des psychosozialen Risikomanagements wird bleiben. Im Bereich der Arbeitssicherheit wird daran jedoch erst noch gearbeitet.

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Große Schritte in Richtung Digitalisierung

Wie wird sich die COVID-19-Pandemie Ihrer Meinung nach langfristig auf die Digitalisierung des Arbeitsschutzmanagements auswirken?

Ich denke, die Auswirkungen werden erheblich sein. Einige Unternehmen setzen bereits neue Technologien ein, um beispielsweise Begehungen durchzuführen oder einfach nur Arbeitsabläufe zu vereinfachen. Viele Fachkräfte haben sich aber an die Arbeit mit Excel- und Access-Dateien gewöhnt. Sie haben vielleicht auch gar keinen Zugriff auf andere Technologien, die ihnen alle wichtigen Informationen mit einem Mausklick liefern könnte.  Die Pandemie zwingt nun jedoch alle, ihre Arbeitsweise zu verändern. Die Digitalisierung ist offensichtlich kein vorübergehendes Phänomen. Insofern haben wir einen großen Schritt in die richtige Richtung unternommen.

Worauf sollten HSE-Manager den Fokus legen?

Aus meiner Sicht sollte die Arbeitssicherheit stärker auf andere globale Schlüsseltrends ausgerichtet werden, also z. B. die Digitalisierung, die Corona-Pandemie, Globalisierung und Nachhaltigkeit. Organisationen sollten sich nicht mit der Entwicklung neuer präventiver Methoden zufriedengeben. Das Hauptziel jeder Organisation sollte es sein, einen globaleren Blick zu entwickeln. Vor allem aber sollten sie den  Fokus stärker auf Kompetenz- und Personalentwicklung, Gesundheit und globales Wohlbefinden legen. Fachkräfte müssen auch das Thema Gesundheit global betrachten, wie sie es bereits mit Krankheiten und Unfällen tun. Sie müssen verstehen, dass Technologien ihnen helfen, denn diese ermöglichen es, sich an eine Welt und an Organisationen anzupassen, die einem rasanten Wandel unterliegen. Entscheidend ist, den Fokus auf die Anpassung an diese sich verändernde Welt zu legen, und sich für die Bewältigung der aktuellen Herausforderungen zu rüsten.

Sánchez-Toledo ist Herausgeber des führenden Magazins für Arbeits- und Gesundheitsschutz Prevencionar. Er veranstaltet zudem den Prevencionar-Kongress und vergibt die gleichnamigen Awards. Agustín Sánchez-Toledo Ledesma ist promovierter Ingenieur und preisgekrönter Experte für Arbeitssicherheit. Er lehrt an verschiedenen Universitäten, hat zahlreiche Bücher zum Thema Arbeitssicherheit verfasst und verfügt über mehr als 25 Jahre Berufserfahrung in dem Bereich.

Agustín Sánchez-Toledo Ledesma

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